Mit dem Wohnmobil durch BeNeLux (2018) – Tag 1 (NL: Amsterdam)

Einen schönen guten Abend aus den Niederlanden. Nach dem wir heute morgen unser erstes Frühstück im Wohnmobil zu uns genommen hatten, wollten wir die Fahrt nach Den Helder fortsetzen um dort mit den Rädern die angeblich wunderschöne Insel Texel (gesprochen noch immer „Tessel“) zu erkunden. Leider hat es jedoch angefangen, Bindfäden zu regnen und die Autobahn war ein einziger Stau. Aus diesem Grund sind wir nur bis Amsterdam gefahren. Hier stehen wir nun auf dem Amsterdam City Camp. Eigentlich nur eine geschotterte, ebene und umzäunte Fläche in einem ehemaligen Werftgelände, die in 100 Parkplätze eingeteilt wurde, über Außensteckdosen verfügt um die Wohnmobile anzuschließen und über WLAN, Frischwasser und Abwasserentsorgung sowie Toilettenentleerung verfügt. Letzteres ist ja eine super saubere und schnelle Sache – hätte ich garnicht gedacht.

Das Wertgelände umfasst mittlerweile eine riesige Kunstgallerie. Manche Kunstwerke stehen auch im Freien.

Einige hundert Meter befindet sich ein mehrstöckigen Containerbau. Bei uns würde man wohl denken, es handele sich um ein provisorisches Flüchtlingsheim, in Amsterdam sind das günstige Studentenwohnheime. Diese sind immens wichtig, warum erfährt ihr später. Immerhin sind sie voll klimatisiert.

Von dieser Seite der Amstel, nach dem Fluss wurde die Stadt Amsterdam benannt, fahren wir mit der Fähre in die Innenstadt. Die Fähren sind in der quasi autofreien Innenstadt mit das wichtigste Verkehrsmittel und obendrein kostenlos! Ein kostenloser ÖPNV, damit werben in Deutschland derzeit die kleinen Parteien. Auch in anderen Dingen sind sie Niederländer aufgeschlossener als wir. Sind die meisten Taxen bei uns dicke, stinkende Mercedeskarren, fahren hier überwiegen elektrische Tesla, Opel Ampera oder Toyota herum. Manchmal glaube ich, wir hängen 10 Jahre zurück und denken nur wir sind der Zeit vorraus. Das Rauchverbot hier gleicht seit 1990 dem heute in den meisten Bundesländern Deutschlands gültigen. Lediglich 2004 wurde das Gesetz um ein Rauchverbot an öffentlichen Plätzen erweitert. Ein Luisenplatz ohne Raucher? Ich denke das bleibt ein Traum, so ist Deutschland immerhin das einzige Land in der EU, das noch immer Tabakwerbung auf Plakatwänden zulässt.

Neben den Fähren und der Metro noch viel wichtiger, die Fahrräder. Sie stehen an allen Ecken und allen Geländern. Die Mehrheit der nur 150.000 Einwohner, Darmstadt hat zum Vergleich 160.000 Einwohner, fährt mit dem Rad. Hierfür gibt es an vielen Stellen extra Parkhäuser. Das auf dem Bild hat 3000 Stellplätze.

Insgesamt gibt es knapp 25.000 Stellplätze und weil ab nächstem Monat das Abstellen der Fahrräder nur noch in diesen Parkhäusern gestattet ist, wird ein neues Parkhaus gebaut. Mitten in den Fluss, der dafür abgesperrt und ausgepumpt wird und auf dessen Grund dann ein Fahrradparkhaus mit 7000 neuen Stellplätzen abgesetzt wird. Nach vorraussichtlich fünf Jahren ist das Parkhaus dann im Flussbett versunken und der Fluss wird wieder laufen gelassen. Ein Parkhaus am/im Grund des Flusses – klingt irgendwie nach dem Starlight-Kasino aus Raumpatrouille Orion. Übrigens, am Tag wechseln hier Schätzungen zu Folge zwischen 800 und 1000 Fahrräder, meistens unfreiwillig den Besitzer. Aber dies unfreiwillig ein Weltweiter Rekord ist, ist Amsterdam in jeder Versicherungspolice bei Diebstählen ausgenommen.

Trotzdem ist Amsterdam auf der Erde geblieben. Entlang der vielen Kanäle befinden sich Bäume und parkende Autos. Mit dem aufkommen der SUVs dir den Bordstein nicht mehr merken, fallen jeden Monat zwei bis drei Fahrzeuge ins Wasser. Wie gut das solche Fälle nun für ganz Europa durch die EU geregelt wurden. Fährt/Rollt jemand mit seinem Fahrzeug ins Wasser und klettert dann heraus, so muss diese Person die kompletten Bergungskosten alleine tragen. Bleibt man jedoch an der Untergangsstelle des Fahrzeugs im Wasser, kommt die Feuerwehr um erst die Person und dann das Fahrzeug zu bergen. In diesem Fall ist die Bergung als Rettung durch die Versicherung abgedeckt. Finde ich Klasse diese Regelung, genau mein Humor…

Nicht typisch EU aber typisch Amsterdam ist, das sich an den Kanälen sowohl Coffeshops (Kneipen in denen legal Cannabis gekauft und konsumiert werden darf), Coffehouses (normale Cafés), aber auch diverse Sexshops, Eisdielen und Souvenirläden, direkt neben der Börse, Madame Tussauts oder dem Palast befinden. Ich finde, dieser Mix beschreibt die Offenheit der Niederländer sehr gut.

Insgesamt gibt es in Amsterdam knapp 100 Kanäle mit insgesamt ungefähr 100km Geamtlänge, die von knapp 1000 Brücken diverser Größen überspannt werden. Damit hat Amsterdam mehr Brücken als Hamburg und die wiederum mehr als die Stadt der Brücken in der Lagune Venedigs. Die älteste Brücke Amsterdams ist übrigens knapp 50m lang und stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurde vor knapp 60 Jahren an eine Privatperson in den USA verkauft, wo sie nun im Garten einen Teich überspannt. Ob diese Person auch einen Fährverkehr im Teich hat…?

Der Nachbau der Brücke hat nur knapp 60 Jahre gehalten, so daß sie kürzlich erneut erneuert wurde, zuletzt von einem Unternehmen aus Bremerhaven. Von außen sieht sie alt aus, aber darunter befindet sich eine moderne Stahlkonstruktion.

Die Innenstadt ist übrigens Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Die Häuser die auf Pfählen stehen und im Schlick kippen, dürfen daher nicht einfach aufgerichtet werden. Man wartet daher bis sie sich gegenseitig stützen, entkernt sie dann inkl. aller Treppen und Etagenbodenplatten um sie möglichst leicht zu machen, rammt dann mit 120 Tonnen Druck neue Pfähle in den Moden und erneuert so das Fundament. Erst dann kommen wieder Stockwerksdecken, Treppen und Decken rein. Insgesamt braucht man so pro Haus knappe drei Jahre.

Solche Renovierungen sind euer, aber die Kosten den Eigentümern wohl egal. Der Grund ist einfach: Egal ob Altbau in der Innenstadt oder Neubau im alten Industriehafen, fast alle Häuser enthalten Eigentumswohnungen. Wohnungen mit 40-60qm kosten aktuell zwischen 1,2 und 1,4 Mio EUR. Jetzt weiß ich, warum das Studentenwohnheim eine Containersiedlung ist…

Alles in allem ist Amsterdam wunderschön. Aber halt, ein Manko gib es. Da auch der Baugrund für Hotels teuer währe, gibt es mittlerweile 10 Hotelschiffe. Die dürfen, was nach internationalem Seerecht auf auf hoher See nicht zulässig ist, ihre Fäkaltanks in den Fluss leeren. Das sind pro Schiff zweimal am Tag ca 4000qm Fäkalien. Insgesamt also 80.000qm Fäkalien pro Tag für alle zehn Hotelschiffe zusammen.

Kein Wunder das die Kanäle alle zwei Tage gereinigt werden. Das Durchspülen funktioniert Recht einfach. Zunächst werden alle 16 Schleusen geschlossen, dann werden zwei geöffnet durch die sauberes Wasser aus dem Iselmeer in die Kanäle fließt, dann werden diese beiden wieder geschlossen und die anderen 14 geöffnet und das Wasser fließt in die Nordsee. Dir Strömung treibt das Dreckwasser dann bis an die Küsten Großbritanniens. Ich denke die Briten sollten über ihren vielen Regen froh sein, so werden wenigstens die Strände abgespühlt…

Das Amsterdam selbst aber Blitzsauger wirkt ist schnell erklärt, wirkt im Vergleich zu eben genannter Umweltverschmutzung aber fast schon lächerlich. Polizisten auf Fahrrädern oder als Touristen verkleidet beobachten die Leute. Ein auf den Boden gewordener Kaugummi, ein Zigarettenstummel oder eine Plastiktüte kosten 146 Eur Strafe – pro Müllstück.

Bei uns kehrt nun Ruhe ein. Zum Abendessen gab es Tortellinie mit Tomatensoße, wir sind alle geduscht, Leon und Chrissy schlafen und auch ich werde bald in den Alkoven klettern.

Daher zum Abschluss noch etwas schönes, den in Amsterdam wohl sehr bekannten, fahrende Musiker: